Die Firmenanschrift passt wie ein OP-Handschuh. An der Goldgrube 12, lautet die Adresse des neuen Börsenjuwels. Ein modern anmutender Bau mit quietschgrüner Umrahmung an der Fassade. Umgeben von biederer Nachbarschaft: eine Baugrube, eine Obdachlosenunterkunft und mehrere Schrebergärten. Nichts jedenfalls, was auf den heißesten IPO-Hotspot in deutschen Landen hindeutet. Und doch herrscht unter den Investoren der jungen Biotech-Schmiede eine Art Glücksritterstimmung wie einst am Flussufer des Klondike. Wer zum Börsengang am 10. Oktober 2019 Aktien der Mainzer BioNTech kaufte, hat seinen Einsatz mehr als verdreifacht.
Die Vorteile überzeugen nicht nur die Börse. Die Boten-RNAs sind extrem vielseitig, schneller und günstiger herzustellen als verfügbare Therapien, gut lagerbar und an Stellen des Körpers zu bringen, die großen Molekülen verschlossen bleiben. Die Kooperationspartner stehen Schlange. Zu den großen Namen gehören Pharma-Konzerne wie Eli Lill , Genmab , Sanofi, Bayer Animal Health, Genentech, Genevant und Pfizer . Kein Wunder: BioNTech ist breit aufgestellt. Zum Forschungsprogramm gehören neben den personalisierten Impfstoffen auf Basis von Boten-RNAs drei weitere Wirkstoffklassen: Antikörper-Therapien, spezielle Zelltherapien (Car-T-Therapien) und chemisch erzeugte Pharmazeutika. Selbst Microsoft-Gründer Bill Gates wittert das Potenzial in den Mainzer Forschungsstuben. Der Milliardär investierte bislang umgerechnet rund 50 Millionen Euro aus seiner Stiftung. Kein Einzelfall.
Der Mainzer Krebstherapie-Pionier BioNTech hat sich nach seinem Börsengang in den USA zum Standort Deutschland bekannt. Die „Kombination USA-Deutschland“ sei für das Biotech-Start-up „genau die richtige“, sagte der Aufsichtsratsvorsitzende und Vertreter des Haupteigentümers, Helmut Jeggle, dem Wirtschaftsmagazin „Capital“ laut Vorabmeldung.
Die Medizinfirma, die im vergangenen Oktober an der US-Technologiebörse Nasdaq an die Börse gegangenen ist, baut demnach auch eine Vertretung im Raum New York auf. Spekulationen über einen langsamen Abschied aus Deutschland wies Jeggle zurück: BioNTech profitiere nach wie vor von „deutschen Tugenden“ wie Ingenieurskunst, Kostenbewusstsein und der Loyalität der Mitarbeiter. Es gebe deshalb keine Pläne, das Unternehmen komplett in die USA zu verpflanzen.
Jeggle bemängelte allerdings fehlende politische Unterstützung. BioNTech könne am Standort Rheinland-Pfalz nicht das gleiche staatliche „Bemühen“ feststellen, wie es Tesla beim Bau seiner Autofabrik in Brandenburg oder Siemens bei seinem Start-up-Inkubator in Berlin genieße, monierte Jeggle im Gespräch mit dem Magazin.
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Präklinische Studie:
BioNTech gab die Veröffentlichung ihres neuartigen CAR-T-Therapiekonzeptes in soliden Tumoren in der Fachzeitschrift Science bekannt. In dem Ansatz wird ein CAR-T-Zell-amplifizierender RNA-Impfstoff, kurz CARVac, eingesetzt. Die Publikation mit dem Titel „An RNA vaccine drives expansion and efficacy of claudin-CAR-T cells against solid tumors” liefert präklinische Proof-of-Concept-Daten für BioNTechs ersten CAR-T-Produktkandidaten BNT211, eine autologe CAR-T-Zelltherapie, die das onkofetale Antigen Claudin 6 (CLDN6) adressiert. Zudem wird CARVac als ein breit anwendbarer RNA-Impfstoffansatz zur Verbesserung der therapeutischen Wirksamkeit von CAR-T-Zelltherapien vorgestellt.
In der veröffentlichten Studie wurde eine CLDN6-CAR-T-Therapie der zweiten Generation mit einer 4-1BB kostimulatorischen Domäne (BNT211) sowohl in vitro in Tumorzelllinien als auch in vivo in Mäusen mit humanen Ovarialkarzinom-Transplantaten untersucht. Die CLDN6-CAR-T-Zelltherapie zeigte im Mausmodell eine vollständige Regression der transplantierten menschlichen Tumore innerhalb von zwei Wochen nach Behandlungsbeginn.